Child Presence Detection
    Mit Künstlicher Intelligenz Kinderleben retten

    Sommer, Schwimmbad-Wetter und viel Sonnenschein – das ist für viele Menschen Anlass zur Freude, birgt aber auch Gefahren. So sterben jedes Jahr weltweit vor allem kleine Kinder einen Hitzetod, weil sie unbeaufsichtigt in abgestellten Fahrzeugen zurückgelassen worden sind. Allein in den USA, wo diese Fälle seit Jahren systematisch erfasst werden, sind seit 1998 weit über 900 Kleinkinder auf diese Weise ums Leben gekommen. Die meisten von ihnen – nämlich knapp 85 Prozent – sind vier Jahre alt oder jünger. Auch in Europa und anderen Teilen der Welt kommt es regelmäßig zu tragischen Todesfällen dieser Art.

    Foto von dem Fahrersitz auf die Rückbank: Ein kleines Mädchen sitzt mit ihrem Teddybär angeschnallt im Kindersitz.
    Bei starker Sonneneinstrahlung reichen schon geringe Außentemperaturen von 14 Grad, damit im Fahrzeuginneren kritische Situationen für Kleinkinder entstehen können.

    Dabei sind keine Hitzerekorde nötig; es reichen bei starker Sonneneinstrahlung schon geringe Außentemperaturen von 14 Grad, damit im Fahrzeuginneren kritische Situationen für Kleinkinder entstehen können. Nicht ohne Grund plant das European New Car Assessment Programme (Europäische Neuwagen-Bewertungs-Programm) – kurz: EURO NCAP – verbindliche Vorgaben für einen verbesserten Innenraumschutz für Kinder in Neufahrzeugen.

    UWB-Radartechnologie und Künstliche Intelligenz
    messen und erkennen Vitaldatan von Kleinkindern

    Der global agierende Mechatronik-Experte Marquardt ist hier schon einen Schritt weiter. Ein Team unter der Leitung des Nachrichtentechnik- und Innovationsexperten Andreas Becher aus der unternehmenseigenen Forschung und Entwicklung hat ein System entwickelt, das verlässlich erkennt, ob sich ein Kind im Fahrzeug befindet. Das System erkennt die Vitaldaten der Insassen und gibt diese zuverlässig an die Fahrzeugelektronik weiter. Mit diesen Daten ist es möglich Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand und mit weiterer Sensorik das ungefähre Alter der hilfebedürftigen Person zu bestimmen. Dadurch ist es möglich Notfallwarnungen auszulösen. Dies kann in mehreren Schritten und in Abhängigkeit der Vitalinformation, bis hin zu Weiterleitung an Notdienste, erfolgen. Im Notfall sendet das sogenannte CPD-System (Child Presence Detection – Anwesenheitserkennung von Kindern) automatisch Warnsignale in verschiedenen Eskalationsstufen aus – bis hin zur Alarmierung von Rettungskräften.

    Marquardt Projektleiter Andreas Becher (rechts) zusammen mit Innovationsleiter Markus Kramer bei einem Test des Child Presence Detection Systems. Becher steht an einem Laptop, während Kramer vor einem Bildschirm mit den Messdaten steht.

    „Wir haben seit 2021 intensiv an einer Lösung gearbeitet. Das Ergebnis ist ein funktionaler Prototyp, der den Nachweis erbracht hat, dass unser System zuverlässig funktioniert und die zu erwartenden Vorgaben des EURO NCAP bereits jetzt erfüllt“, erklärt Markus Kramer, Head of Innovation bei Marquardt. „Der nächste Schritt ist der Einstieg in die Serienentwicklung gemeinsam mit der Automobilindustrie.“

    Künstliche Intelligenz analysiert Bewegungsmuster

    Der Mechatronik-Spezialist nutzt in seinem CPD-System leistungsstarke Radarsensorik, die auf Basis von Ultra-Breitband-Strahlung (UWB – Ultra-Wideband) arbeitet. Dabei handelt es sich um eine Technologie, die für die Gesundheit der Insassen unbedenklich ist. Bei der Auswertung der Radardaten setzten die Marquardt Entwickler auf Software-Algorithmen mit Künstlicher Intelligenz (KI). Das UWB-Radar, dessen Sensoren sich in jeder Sitzreihe eines Fahrzeugs befinden, ermittelt durch Laufzeitmessung des reflektierten Signals, ob sich Objekte im Innenraum befinden, die sich bewegen. Die KI in Form selbstlernender Algorithmen ist in der Lage, die vom Radar erfassten Bewegungsmuster zu unterscheiden und zuzuordnen.

    Marquardt-Innovationsleiter Markus Kramer sitzt zusammen mit einem kleinen Mädchen in der Fahrerkabine eines PKW, er zeigt ihr ein Messgerät, das Marquardt nutzt, um seine KI-basierte Technologie zum Schutz von Kinderleben weiterzuentwickeln.
    In einer medizinisch begleiteten Testreihe mit Kindern im Alter zwischen null und zehn Jahren hat Marquardt Messdaten gewonnen, mit denen Künstliche Intelligenz zum Schutz von Kinderleben angelernt wurde.

    Unsere Lösung ist eine Innovation, die Leben retten kann.

    „Im akribisch aufeinander abgestimmten Zusammenspiel beider Technologien erkennt unsere Lösung, ob die erfasste Bewegung von einem Gegenstand oder einem Lebewesen stammt. Mit Hilfe mehrerer Sensoren kann die Bestimmung der Altersgruppe durchgeführt werden“, betont Andreas Becher. „Diese Fähigkeit ist deswegen wichtig, weil ein Alarm nur dann ausgelöst werden muss, wenn erkannt wird, dass ein Baby oder Kleinkind allein im Fahrzeug zurückgelassen worden ist. Gerade in dieser Altersgruppe ist davon auszugehen, dass sie sich nicht selbst aus der Notsituation befreien können.“  

    Menschliche Atmung als Messgröße

    Um Bewegungen im Fahrzeuginnenraum festzustellen, orientiert sich das CPD-System von Marquardt an der menschlichen Atmung. Anders als bei der Bewegung von Gliedmaßen wiederholt sich das Heben und Senken des Brustkorbs permanent – auch im Schlaf oder bei einer Ohnmacht. Zudem geschieht dies sehr gleichmäßig und weist ein bestimmtes Muster auf. Hinzu kommt, dass sich die Atemfrequenz je nach Alter unterscheidet. „Unser System befähigt das Fahrzeug mit weiterer Sensorik dazu, die erfasste Atembewegung einer bestimmten Altersgruppe zuzuweisen und so zu entscheiden, ob ein Alarm ausgelöst wird oder nicht“, erläutert Andreas Becher. Die Erkennung der Atembewegung ist selbst durch dicken Stoff oder durch Fremdgegenstände wie eingebaute Kindersitze mit zugelassenem Rollo zuverlässig möglich.

    Ein kleiner Junge fotografiert von dem Fahrersitz eines PKW. Er sitzt in seinem Kindersitz angeschnallt auf der Rückbank.
    Marquardt nutzt Radarsensoren und künstliche Intelligenz, um den Schutz von Kindern im Auto zu verbessern.

    Fachmedizinische Tests mit Kindern

    Entsprechende Daten hat Marquardt in einer medizinisch begleiteten Testreihe mit über hundert Kindern im Alter zwischen null und zehn Jahren gewonnen. In einem Testfahrzeug wurden dabei die Atembewegungen der kleinen Probanden aufgezeichnet. Ein Kinderarzt mit einem zusätzlichen technischen Studium hat gemeinsam mit dem Entwicklungsteam die Messdaten ausgewertet und die korrekte Versuchsdurchführung unterstützt. Die so erzielten Erkenntnisse bilden die Grundlage, um die Künstliche Intelligenz anzulernen, damit sie die vom UWB-Radar erfasste Signalmusterfolge korrekt interpretieren kann. „Dieser ganzheitliche Entwicklungsansatz, der sowohl die einschlägige medizinische Forschung als auch unser in vielen Jahren erworbenes technologisches Know-how zu Radarsensorik, UWB-Funkkommunikation und Algorithmus umfasst, macht die Zuverlässigkeit unserer Lösung aus – einer Innovation, die Leben retten kann“, ist Entwicklungsleiter Markus Kramer überzeugt.


    Kontakt


    Daniel Schüle

    Schloss-Str. 16
    78604 Rietheim-Weilheim
    Deutschland

    daniel.schuele@marquardt.com
    Telefon: +49 151 54468965