Wir wollen das Bedienelement situativ erscheinen lassen, das heißt nur noch dann, wenn der Nutzer es auch wirklich betätigen will.
Dr. Martin Götz Systemingenieur Innovations
Wer ein technisches Gerät kauft, erwartet nicht nur Funktionalität und Sicherheit, sondern auch ansprechendes Design. Ob es das Cockpit eines Autos ist oder die Front einer Waschmaschine, der Trend geht zu großzügigen, geschlossenen Oberflächen ohne erkennbare Funktionen. Doch Flächen können weitaus mehr, wie die Entwicklung von Marquardt zeigt.
Ein modernes Bedienelement ist da, wenn man es braucht. Und wenn man es nicht braucht? Dann löst es sich elegant in Luft auf. Mit Hokuspokus hat das nichts zu tun, sehr viel aber mit Infrarotlicht – doch der Reihe nach: „Wir bei Marquardt hatten die Idee, ein Bedienelement nicht mehr als klassische Funktionstaste zu sehen“, erklärt Dr. Martin Götz. „Stattdessen wollten wir das Bedienelement situativ erscheinen lassen, das heißt nur noch dann, wenn der Nutzer es auch wirklich betätigen will.“ Als Beispiel führt der Systemingenieur den Innenraum eines Autos an: Nähert sich eine Hand dem Handschuhfach, leuchtet auf der glatten Oberfläche das Piktogramm eines Schalters auf. Bei Berührung des virtuellen Knopfs öffnet sich das Fach sanft. Kombinierbar mit einer Variante: Das Fach lässt sich über einen Zahlencode verschließen. Auch er erscheint erst situativ, wenn das Handschuhfach geschlossen wird.
Das neue Modul ist ein wahrer Gentleman: Vornehm zurückhaltend, elegant in der Erscheinung und präsent, wenn es darauf ankommt. Doch welche Technologie verbirgt sich hinter der schicken Oberfläche? Dr. Martin Götz schmunzelt: „Streng genommen keine, denn die Fläche an sich dient nur als eine Art Leinwand für unsere Projektion. Es ist keine zusätzliche Erkennungselektronik auf und unter der Oberfläche nötig.“ Damit das funktioniert, arbeitet Marquardt mit Infrarotlicht (IR). Es ist für das menschliche Auge unsichtbar, erweist sich aber als wirksamer Helfer, wenn es darum geht, Bewegungen und Abstände zu vermessen. Im Fall des Handschuhfachs beispielsweise wird die Position des sich nähernden Fingers durch die Auswertung des IR-Lichts erkannt und der Abstand zur Bedienoberfläche ausgelotet. So „sieht“ das System, wann der Finger den Bedienknopf berührt. Das zurückreflektierte IR-Licht und mit ihm die Information wird von einem Sensor verarbeitet und die gewünschte Funktion – in dem Fall das Öffnen oder das Abschließen des Faches – ausgelöst. Der große Vorteil für den Hersteller: Er kann Funktionen auch auf Flächen positionieren, unter denen kein Raum für elektronische Komponenten vorhanden ist oder die außerhalb des Zugriffs liegen, z. B. auf dem Fußboden.
Geeignet sind solche Bedienfelder unter anderem für Anwendungen im Auto, die nicht ständig während der Fahrt genutzt werden, zum Beispiel der Start-Stop-Button, die Einstellung der Außenspiegel oder Sitze, das Öffnen des Tankdeckels oder eben des Handschuhfachs. Wird das Bedienelement nicht mehr benötigt, ist der Blick wieder frei für die Designfläche. Edle Materialien wie Holz, Leder oder hochwertige Stoffe kommen so besser zur Geltung. Dieser Minimalismus hat Methode, so Marquardt Produktmanager Stefan Ruf: „Der Trend im Auto, aber auch bei Küchengeräten, geht zu cleanen Oberflächen ohne sichtbare Funktionen. Wir entwickeln dafür die passenden Bedienelemente: Sie sind nicht mit übermäßig vielen Anwendungen überladen, sondern führen den Nutzer, ohne sich aufzudrängen.“ Gerade im Küchenbereich greift Marquardt damit die Bedürfnisse der Endverbraucher auf, die sich eine klare und einfache Steuerung der Geräte wünschen.
Weitere Anwendungsfelder sind Projektionen außerhalb des Fahrzeugraums, zum Beispiel ein auf der Straße erscheinendes Symbol: Bei Berührung mit dem Fuß öffnet sich der Kofferraum. Oder ein Garagentor, das über ein GPS-System erkennt, wenn sich der Wagen nähert. Das über Bluetooth mit der Garage verbundene Bedienelement im Cockpit leuchtet nur dann auf, wenn das Auto auf die Garage zurollt. Auch in der Haustechnik bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten, von der Dunstabzugshaube über die Herdoberfläche, den Kühlschrank, die Waschmaschine bis hin zum Heizungskessel im Keller oder der Steuerungsstation im Wohnzimmer. In der Medizintechnik ist die IR-Technologie ebenfalls gefragt, denn wo besondere hygienische Anforderungen bestehen, haben glatte Oberflächen mehr als eine ästhetische Bedeutung. Für Geräte im OP, die Stufenverstellung eines Pflegebetts oder die Positions- und Lichtregulierung des Zahnarztstuhls gilt: Je besser die Flächen zu reinigen sind, desto schwerer haben es dort gesundheitsschädigende Keime.
„Im Bereich Licht und Beleuchtungen wird künftig sehr viel passieren, vor allem mit Fokus auf intelligente, situationsabhängige Beleuchtungen im Innenraum von Autos. Das wird nicht zuletzt beim autonomen Fahren ein großes Thema sein.“
Für Hersteller ist die Infrarotlichtauswertung erheblich günstiger als eine Kameralösung, von einem kostenintensiveren Farbdisplay oder Touchscreen ganz zu schweigen. Ziel von Marquardt ist es, durch Reduktion auf das Wesentliche die Produktionskosten des Moduls zu drosseln und so auch große Stückzahlen zu ermöglichen. Die mittlerweile zum Patent angemeldete Technologie wird außerdem permanent weiterentwickelt, wie Dr. Martin Götz berichtet: „Künftig wollen wir nicht nur ein, sondern mehrere Bilder abbilden, indem wir eine Art Diawechsler verbauen, der mehrere Bilder durchspielen kann, sodass wir eine einfache Menüstruktur aufbauen können.“ Um die Technik auch bei starker Sonneneinstrahlung nutzbar zu machen, arbeitet Marquardt zudem an der Projektion mit verschiedenen Farben. Das erhöht den Kontrast und die Sichtbarkeit der Applikationen.
Unter Einbeziehung von Kundenwünschen wird das Projektionsmodul nun bis zur Marktreife präzisiert. Dr. Martin Götz und seine Kollegen arbeiten währenddessen an weiteren Innovationen. „Im Bereich Licht und Beleuchtungen wird künftig sehr viel passieren, vor allem mit Fokus auf intelligente, situationsabhängige Beleuchtungen im Innenraum von Autos. Das wird nicht zuletzt beim autonomen Fahren ein großes Thema sein.“ Grundsätzlich folgen die Entwickler bei Marquardt dem Ansatz: Jede Oberfläche kann ein Bedienelement sein – und der Weg dorthin führt über das Licht!
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